Von Wolken, Regen, verirrten Flüssen und etwas Sonnenschein Transalp 2005
Übersicht: 1. Vorbereitung 2. Lindau - Sibratsgfäll 3. Sibratsgfäll - Weißenbach 4. Weißenbach - Scharnitz 5. Scharnitz - Scharnitz
6. Scharnitz - Riva 7. Riva – Lago di Ledro - Riva 8. Riva –Monte Altissimo – Malcesine – Riva
9. Riva – Lago di Tenno – Riva 10. Fazit
Vorbereitung
Nachdem wir in den beiden letzten Jahren jeweils die Alpen in Richtung Riva überquert hatten, wollten
wir diesmal die Alpen von West nach Ost durchqueren. Vom Bodensee aus sollte es zum Königssee
gehen, die deutschen und österreichischen Alpen sollten unser Ziel sein. Schnell fanden sich ein paar
Matschfinder, die einmal ohne Aqua miserabile und Rotweingiraffen in den Alpen unterwegs sein
wollten. Die Route wurde ausgearbeitet, Quartiere gebucht. Mit P.K. wurde ein Busfahrer gefunden, der sich als ein weiterer Glücksgriff erwies. Ruhig und gelassen chauffierte er uns zum Bodensee, überraschte uns später mit einem Leihbike und entpuppte sich danach, wie man weiter unten lesen kann, auch noch als guter
Zimmersucher. Wie schon in den vorangegangenen Jahren wurde am Vorabend der Bus gepackt. Dabei verstaute unser Oberstauer P.K., unter den mehr oder weniger
fachkundigen Kommentaren des Restes der Truppe, alle Räder, Gepäckstücke und das umfangreiche
Ersatzteillager mit gekonnter Routine so im Bus, dass auch noch Platz für die mitfahrenden Biker blieb.
Anschließend noch ein Schlummertrunk mit erwartungsvollen Kommentaren zu den erwarteten Highlights der kommenden Tour.
20.08.05 Lindau - Sibratsgfäll (50 km, 1550 m auf, 900 m ab, 4:10 h)
Pünktlich am frühen Morgen beginnt Busfahrer P.K. mit seiner Einsammeltour in Elversberg und bringt uns dann mit einer reibungslosen
Fahrt locker nach Lindau. Wie schon im letzten Jahr empfängt uns Lindau, genau wie damals Bregenz, mit einem ziemlich
wolkenverhangenen Himmel. Es hat so um die 18 Grad, ist aber noch trocken. Was wir zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnten, war dass dieses Wetter für die nächsten Tage das Beste gewesen sein
sollte was Bayern und Österreich uns zu bieten hatten. Auf einem Schulhof wurden die Räder montiert, gecheckt, kurze Hosen und Trikots waren angesagt.
Nach ein paar Fotos ging es gegen 12.10 Uhr los Richtung Lochau und dann hoch zum Pfänder. Das Erste was wir sehen ist ein Schild, das eine Steigung von 27% ankündigt und das Schild hatte Recht.
Auf feinem Schotter kurbelten wir richtig steil bergauf. Voraus der Pfändergipfel, hinter uns der Bodensee im ab und zu aufblitzenden
Sonnenlicht. Bevor wir den Gipfel des Pfänders erreichten gab es noch einen kurzen Abstecher bergab mit einer Variante über eine Wiese, ganz ohne Kühe und braune
Fladen. Bergab war aber nicht richtig auf dem Weg zum Gipfel, also war wieder bergauf angesagt,
nachdem wir umgedreht hatten und die Nachzügler sich plötzlich an der Spitze des Feldes wieder fanden. Oben auf dem Pfänder herrschte ziemlich viel Betrieb, die Sonne
spitzt hervor, der Bodensee liegt teilweise im Nebel. Wir genießen die schöne Aussicht auf Bregenz und einige Riegel nebst Bananen oder ähnlichem. Wir entdecken von
oben das Radgeschäft, in dem sich im letzten Jahr J.K. seinen Zweittacho zugelegt hatte. Dann hieß es weiterfahren und wie es sich für einen anständigen Berggipfel gehört, ging es zunächst ein kurzes Stück bergab bis zu einem Wegweiser, an dem die
obligatorische Frage unseres Führers G.H. folgte: „Fahren wir über die Straße oder den Wanderweg nach Langen?“ Auf so eine Frage
kann es bei uns nur eine Antwort geben: „Wanderweg!“. Dieser entpuppte sich sehr bald als ein verkapptes Bachbett mit grobem Geröll. Später ging er in einen
schmalen Steig mit feuchten, rutschigen Wurzeln über. Von Langen ging es dann locker über Asphalt
Richtung Hitisau, wo uns noch ein 5 km langer Anstieg hinauf nach Sibratsgfäll erwartete. Dabei gab es
zwischen J.K. und B.O. eine angeregte Unterhaltung bezüglich schleifender Bremsen und runden Tritten. „Die Bräms schlääfd! – Nää. Deini! – Doch deini schlääfd! - Nää das kann ned sinn! Du haschd e
runder Tridd unn das Gereisch iss so reschelmäßisch, so gleischmäßisch trääd isch doch gar ned!“ Die heutige Unterkunft, der Gasthof Ifenblick, bietet riesige Zimmer und gutes Essen mit einer leichten
Knoblauchsuppe, einem Haussalat nebst Grillteller und einem Eisbecher zum Nachtisch. Die
Speisekarte bot auch eine reichhaltige Auswahl an diversen Bieren, die auch gleich einem Test unterzogen wurden. Es ging vom Pils über Weizen zu Flaschenbier und dann in umgekehrter
Reihenfolge wieder zurück. Vorm Schlafengehen wurden noch der Mond und tolle vorbeiziehende Wolken bewundert.
21.08.05 Sibratsgfäll – Weißenbach (83,5 km, 1570 m auf, 1630 m ab, 5:52 h)
Der Himmel hält sich am Morgen ziemlich bedeckt, aber es ist noch trocken. Es ist kühl, knapp über 10o, lange Hosen und Jacken sind angesagt. Wir sitzen auf und rollen locker bergab den Ort heraus,
wobei es ziemlich pünktlich bei der Passage des Ortsschildes leicht zu tröpfeln beginnt. Über Asphalt
geht’s hinauf zum Rohrmoosjoch, das Tröpfeln wird zum Regen der uns dann in Rohrmoos zwingt
Regenjacken und Überhosen anzulegen. In den nächsten drei Tagen kamen wir aus diesen Klamotten nicht mehr heraus. Das Wetter entpuppte sich als Regenbekleidungsdauertestveranstaltung.
Weiter ging´s im nun strömenden Regen Richtung Oberstdorf, dann links auf den Illtalradweg bis Altstädten. Von dort aus ging es sehr
steil über Asphalt hoch zum Sonthofener Hof. Nach einer leichten Schotterabfahrt war schließlich bergauf schieben angesagt. Es galt eine vom Regen aufgeweichte Wiese
zu erklimmen. Der Fußsteig war lehmig, schmierig und rutschig. Auf einen Schritt vorwärts folgte ein
Zurückrutschen von mindestens gefühlten drei Schritten. Am Ende der Wiese beim Übergang zum Wald
erwartete uns im Zaun ein Drehkreuz mit ein paar Stufen davor. Die Räder mussten drübergewuchtet werden, das Drehkreuz selbst war für Bauch, Hüften und Rucksack etwas eng bemessen. Als
Steigerung ging es im Wald über ein paar weitere Stufen weiter steil bergauf. Dann wurde es heller der
Wald war zu Ende und wir an der Bergstation der Hindelanger Bahn. Unser Busfahrer P.K. erwartete uns zu Mittagsrast.
Frisch gestärkt nahmen wir die steile Schotterabfahrt nach Hindelang in Angriff. Dabei entwickelten wir
uns so nebenbei als Experten im Überwinden von Viehgattern mit diversen Türen, Drehkreuzen und Hebemechanismen. Der beste Übergang befand sich bei Oberjoch, neben dem Gatter gab es eine
Umfahrung, bei der ein Hügel das Drahtgitter simulierte. Nach der Überquerung des Oberjochs fanden wir uns schließlich auf dem Tannheimertalradweg Richtung
Haldensee und Nesselwängle wieder. Im noch heftigeren Regen ging es locker hoch zum Gaichtpass. Laut Roadbook sollte bei der Abfahrt über die alte Gaichtpassstraße nach Weißbach wieder eine Schiebestrecke auftauchen. Die
Abfahrt über Schotter war zwar steil, aber komplett fahrbar. An einer alten Brücke über eine wildromantische Schlucht werden noch schnell ein paar Bilder
gemacht. Unterwasserkameras hätten dabei den Fotografen die Sorge um absaufende Kameras abgenommen. Im Tal sind es nur noch wenige Meter zum Café Dobler, unserem heutigen Übernachtungsdomizil. Unser Gepäck ist schon ausgeladen, so werden
noch schnell die fahrbaren Untersätze trockengelegt. In wenigen Minuten ist auch der Trockenraum mit
unseren Klamotten belegt. Die erste Regenbekleidungstestphase ergab, dass nach spätestens zwei
Stunden Fahrt das Wasser unter dem Kragen hindurch unter die wasserdichten Jacken sickert und nach
und nach in kleinen Bächen diesen ersten Tropfen folgt. Das einzige wasserfeste Teil war dabei die Regenhose von Oberschrauber P.K.
Nachdem wir uns trockengelegt hatten ließen wir uns zum abendlichen Menü nieder. Der Bärlauchsuppe folgte ein
gemischter Salat, der von einem ganzen Korb begleitet wurde, der mit diversen Essigsorten und sonstigen Gewürzen
gefüllt war. Als Hauptgang gab es Schweinefilet in Pfefferrahm, mit Gemüse, Rösti und Bandnudeln. Dann folgte ein
Schmetterlingsdessert auf einer Blumenwiese. Der Schmetterling war aus zwei Stücken Kuchen mit einer Kugel Vanilleeis als Kopf und einem Schlag Sahne als
Rumpf komponiert. Pfirsichstücke bildeten die Fühler. Nach dem Essen bringt der Wirt eine Runde Schnaps und erkundigt sich dabei ob alles recht gewesen sei. Die
Einlassung von Jo, dass die kleinen dunklen Erbsen in der Soße etwas scharf gewesen seien beantwortet er mit dem Hinweis, dass Gebirgserbsen halt etwas
geschmack- und gehaltvoller seien als die Flachlandversion, die wir wohl normalerweise gewöhnt seien.
22.08.05 Weißbach - Scharnitz (73 km, 1410 m auf, 1340 m ab, 5:06 h)
Regen weckte uns und begleitete uns auch wiederum den ganzen Tag. Wir folgten dem Lechtalradweg, wobei der Lech sich anschickte über seine Ufer zu schauen,
wahrscheinlich konnte er nicht glauben, dass jemand bei diesem Wetter freiwillig mit dem Rad unterwegs ist. Bei Reute ging’s hoch
Richtung Heiterwang und Leermoos. Unser Oldie B.O. klagte nun über ein etwas träges Lenkverhalten seines Bikes. Es ließ sich nur
schwer in eine Kurve lenken, hatte es den Weg dann schließlich eingeschlagen, dann wollte es nicht mehr geradeaus fahren. Unsere
Diagnose entlarvte den Steuersatz als Übeltäter. In einem sauberen Bikeshop in Bichelbach, mit aufgeräumter Werkstatt, wurde der Übeltäter gegen ein neues Exemplar
ausgetauscht. Interessiert begutachteten wir die ausgestellten Bikes im Laden, nicht ohne ein paar größere Wasserlachen zu hinterlassen
Schließlich ging´s weiter bis zur Talstation der Ehrwalder Bahn. Kurzer Fotostopp und schnell noch ein paar Riegel verdrückt. Der Anstieg
zur Ehrwalder Alm erschien uns dabei gar nicht mehr so lang wie bei unserer ersten Alpentour im Jahre 2003. Wahrscheinlich lag´s am
Regen, der ihn etwas einlaufen ließ. Die kühlen Temperaturen taten wohl ein Übriges, denn bekanntlich ziehen sich feste Stoffe beim
Abkühlen zusammen und dehnen sich beim Erwärmen aus. Der Temperaturunterschied zum heißen Sommer 2003 und diesem Regensommer 2005 war beachtlich.
Oben hieß es vor der Rast zu erst einmal diverse Kleidungsstücke und Handschuhe auszudrehen, damit es im Lokal keine
Überschwemmung gibt. Nach der Rast ging es vorbei an der Pestkapelle den gleichen Weg wie 2003 hinab nach Leutasch, die Gebirgsbäche führten alle ziemlich viel Wasser und Gestrüpp mit sich. In Weidach bogen wir rechts ab
und folgten nun dem Tirol-Vital-Weg, der uns zuerst durch ein Neubaugebiet führte und am Waldrand
schließlich in einen Schotterweg überging, der sich teilweise wie eine Wand vor uns aufbaute. Es ging
immer weiter hoch bis zu einer Wegkreuzung, bei der uns ein Wegweiser bergab wieder Richtung Weidach schickte. Wir kamen schließlich wieder auf einer Asphaltstraße heraus an der uns zwei
Wegweiser mit den Aufschriften „Weidach 1km“ und „Scharnitz 8km“ bei der Orientierung halfen. Wir
beschlossen dabei Weidach den Ehrennamen Bliesransbach zu geben. Die Straße nach Scharnitz
entpuppte sich als lockere, jedoch rasante Abfahrt. Jo gab das Tempo vor, Wasser spritzt auf, noch ein Feldweg mit wunderbaren Wasserlöchern und wir haben unser heutiges Etappenziel, die Pension Frankenhof in Scharnitz erreicht. Auf die Frage nach einer Möglichkeit unsere Klamotten zu trocknen, rückte der zwölfjährige Sohn der
Hausherren mit der Information heraus, dass seine Mama das schon regelt, wir sollten die Wäsche nur in den Keller legen. Frohgemut machten wir uns auf zum Goldenen Adler, wo wir diverse Suppen, Fleischspeisen und Palatschinken nebst Apfelstrudel verdrückten. Die
erste Runde wurde von B.O. zu Ehren des neuen Steuersatzes spendiert, sie wird noch von einigen weiteren zu Regulierung des
Flüssigkeitshaushaltes ergänzt. Wir sind die einzigen Gäste, die aus Bayern stammende Bedienung setzt
sich zu uns und erzählt etwas von den persönlichen Verhältnissen des Wirtsehepaares. Dabei lädt sie
unseren Busfahrer zu einem gemeinsamen Saunabesuch im Haus ein, er traut sich jedoch nicht, vielleicht will er sich auch nur für seinen Job als Fahrer fit halten. Zurück im Frankenhof trinken wir noch einen Absacker, Jo macht sich auf nach unserer Wäsche zu schauen und
erfreut uns mit der Mitteilung, dass sie noch unverändert vor der Waschmaschine im Keller läge. In einer konzertierten Aktion
verteilt er sie anschließend mit P.K. über die diversen Rohre im Heizungskeller, die bei dieser Gelegenheit gründlich entstaubt wurden.
23.08.05 Scharnitz - Scharnitz (23,5 km, 370 m auf, 370 m ab, 1:55 h)
Die ganze Nacht Dauerregen, nach dem Frühstück in die noch leicht feuchten Kleider und ab Richtung Friedhof um den Einstieg der Route
zum Karwendelhaus zu suchen, der Achensee war unser heutiges Ziel. An einer Wiese steht vor einer Wasseransammlung ein
Umleitungsschild, unser Führer G.H. fährt jedoch weiter, denn das bisschen Wasser schreckt einen echten Matschfinder nun wahrlich nicht
ab. Das Wasser reicht nun bis zum Tretlager, seine Füße tauchen beim Kurbeln immer unter. Geschickterweise umfahren die Übrigen diese
Lache. Nach kurzer Kartenorientierung geht´s zurück nach Scharnitz und dann entlang der Isar über Schotter den Ort hinaus. Aus einer
Felswand schießt ein Bach, schnell ein Erinnerungsfoto, eine ältere einheimische Dame meint, dass es keine gute Idee
sei mit dem Rad herum und auch noch hoch zum Karwendelhaus zu fahren. Wir folgen trotzdem weiter der tosenden
Isar, die gerade dabei ist eine Brücke abzureißen und ein meterdickes Betonrohr vor sich her zu rollen. Wir rollen auch
weiter, immer leicht bergauf und müssen dabei immer wieder Sturzbäche, die quer über den Weg schießen, überqueren
. Der erlaubt tolle Ausblicke auf die Isarschlucht, leider ist es der Falsche. Also wieder zurück durch Sturzbäche
Richtung Scharnitz. Mittlerweile ist das Aufgebot an Feuerwehr und anderen Hilfskräften an der einsturzgefährdeten
Brücke ziemlich beachtlich. Jetzt nehmen wir den richtigen Abzweig hinauf zum Karwendelhaus. Erst geht es etwas
steiler auf feinen Kieswegen entlang des Karwendelbaches hinauf. Der Bach tobt in seiner Schlucht, ein dauerndes
Rumpeln und Poltern kündet von Steinen die mit bergab fließen. Der Weg wird schließlich flacher, der Bach oder
besser der Fluss füllt das ganze Tal vom Weg bis zum gegenüberliegenden Berghang aus. Ein Lkw mit einem Bagger auf einem Anhänger hat
uns überholt. In einer Kurve fehlt schon ein Stück vom Weg, der Bach nagt ihn Stückchenweise ab. Vorbei am Bagger ist unsere Fahrt nach
ein paar hundert Metern zu Ende, der Weg ist nun ein Teil des Flussbettes, welches nun von einer
Talseite bis zu anderen reicht. So weit wir sehen ist kein Weg, sondern nur noch Wasser zu erkennen.
Das war´s mit der Tour, also hieß es umkehren und wieder nach Scharnitz hinab zu fahren. Der
Bach/Fluss hat mittlerweile schon den halben Weg mitgenommen. In Scharnitz steht inzwischen das Wasser auch schon in einigen tiefer gelegenen Straßen, welche wir vor knapp 2 Stunden noch
wasserfrei erlebt hatten. Bei einer Schule stellen wir uns unter, ein Telefonat mit Busfahrer P. ergibt, dass der irgendwo auf der Autobahn hinter Innsbruck ist. Er
wird zurück beordert, wir warten derweil im Gasthof Risserhof bei einigen warmen
Getränken. Bei seiner Ankunft berichtet er, dass die Straße nach Mittenwald wegen Hochwasser schon gesperrt war, auch Straße vom Inntal hoch zu Achensee war wegen eines Erdrutsches unpassierbar, ebenso war der Achenpass gesperrt. Wir beschließen zuerst einmal
zu speisen und noch einen weiteren Tag in Scharnitz zu bleiben. Im Gasthof sind noch Zimmer frei und die nette Chefin des Hotels nimmt sich unserer Wäsche an,
sie füllt diverse Maschinen und Trockner, endlich wieder trockene Radklamotten. Beim Betrachten der Fernsehbilder wird uns klar, dass rund um Scharnitz der Rest der Welt so ziemlich
unter Wasser stand. Das Abendessen wird mit einer weitern Runde von B.O. eröffnet, da dieser bei
unserer Rückkehr nach Scharnitz an seinen Felgen verdächtigt aussehende Stellen entdeckte, sie waren
kurz vorm Kollaps. Er musste das Ersatzpaar aus dem Bus montieren. Wir beratschlagen und beschließen unsere Tour zum Königssee abzubrechen, da unsere Route mitten durchs
Hochwassernotstandsgebiet geführt hätte. Wir sind alle für eine Richtungsänderung zum Gardasee, wo wir besseres Wetter zu haben hofften
. Schnell sind die Räder im Bus verstaut, denn der erste Teil der morgigen Etappe sollte mit dem Bus zurückgelegt werden. Beruhigt und frohgemut nahmen wir die Nachtruhe in Angriff.
24.08.05 Scharnitz – Trento - Riva (40 km, 260 m auf, 670 m ab, 2:30 h)
Ein Kontrollblick vor dem Frühstück ergab etwas Unglaubliches, es regnete nicht mehr, die Wolken
begannen auf zu reißen, ab und zu war schon ein Stückchen Himmelsblau zu entdecken. Über Seefeld,
vorbei an weggeräumten Erdrutschen und Aufräumungsarbeiten ging es Richtung Brenner, wo schon die
Sonne auf uns wartete. Bei Trento bogen wir von der Autobahn ab, den Rest der Strecke wollten wir mit dem Bike zurücklegen. Auf einem Rastplatz oberhalb von Trento werden die Räder wieder
zusammen gebaut, die langen Hosen und Trikots werden gegen die kurzen Versionen ausgetauscht. Eine gewisse Hektik ist nicht zu übersehen, alle suchen in den
Tiefen ihres Gepäcks die Sonnencreme, für die es in den letzten Tagen ja keinerlei Verwendung, höchstens vielleicht als
Wasserschutzcreme, gegeben hatte. Unser Busfahrer wird mit unseren besten Wünschen Richtung Riva verabschiedet um dort eine Unterkunft für die restlichen Tage zu suchen. Wir folgen der Straße Richtung Riva und orientieren zunächst einmal an einer Panoramatafel, da wir keinerlei Kartenmaterial vom
Gardasee und seiner Umgebung dabei hatten. Wir finden aber ein paar schöne Wege. In der Nähe von Terlago wird eine von H.M. geführte Abkürzung rund um eine Kirche eingebaut, weiter geht´s bergab über Asphalt, Schotter und
teilweise grobes Geröll Richtung Arco und Riva. Der Passegio in der Nähe von Dro lässt bei unserem Führer Mallorcafeeling aufkommen, so schöne Stein- und Schotterpassagen gibt es dort.
Durch Apfel- und Weinplantagen erreichen wir Arco. Kurz darauf sitzen wir bei strahlendem Sonnenschein an der Uferpromenade von Riva bei kühlem Bier und guter Pizza. Unser Busfahrer
erscheint mit der frohen Kunde über freie Hotelzimmer. Wir sind bei zwei älteren Damen untergebracht, wobei ein Teil der Truppe eine großzügige Ferienwohnung in Beschlag nehmen durfte.
25.08.05 Riva – Lago di Ledro – Riva (43 km, 1425 auf, 1425 ab, 4:10)
Nach einem fürsorglich von den beiden Damen - mit diversen Hand-auf-die-Schulter-legen-und
-tätscheln-Aktionen - betreuten Frühstück, machten wir uns bei warmen 25-27 Grad bei leicht bewölktem Himmel auf zu unserer Tour zum Ledrosee. Wir nahmen die alte, wieder geöffnete Ponalestraße unter die Räder und radelten locker die leichte Steigung hinauf. Atemberaubende
Aussichten auf den Gardasee ließen uns das eine oder andere Mal anhalten um ein paar (in Zeiten der
Digitalkameras und billiger werdender Speicherkarten im oberen zweistelligen Bereich) Fotos zu
schießen. Weiter ging es hinauf bis zu einem T-förmigen Abzweig. Der Autor dieser Zeilen wollte
Instinktiverweise nach rechts dem weiteren natürlichen Verlauf der Straße folgen. An der Felswand hing
als Wegweiser ein Pappschild für Fußgänger und Mountainbiker, welches Zweideutigerweise sowohl
nach rechts und auch nach links den wahren Weg zum Ledrosee zeigte. Eindeutigerweise stimmte der Rest der Truppe für die linke Variante
, die sich nach kurzer Asphaltphase in eine Betonrampe, mit geschätzten 27-28% Steigung, verwandelte, die schließlich in eine noch etwas
steilere Geröllspur überging. Die Frage einer anderen, etwas ungläubig blickenden Gruppe Biker, mit teurem Material an unseren Führer, ob
dieser Weg fahrbar und der richtige sei, wurde von diesem mit einem kurzen „Ja!“ beantwortet. Der Weg war wegen
des „Fahrbar“ etwas anderer Meinung, so dass schieben und tragen bis zum höchsten Punkt wieder einmal angesagt
war. Anschließend ging es so etwa 300 hm wieder bergab, genau so steil, geröllig, verwurzelt und stufig wie vorher
beim Aufstieg. Meist war wieder tragen und schieben angesagt. Gegenüber dem Aufstieg hatte der Abstieg den Vorteil,
dass man sich in den besonders steilen und rutschigen Passagen am Rad festhalten und dabei bremsen konnte.
Schließlich spuckte uns der Weg wieder auf der Straße aus, die der rechte Teil des Abzweiges gewesen war. Locker
und moderat ging es nun weiter hinauf zum Ledrosee. Eine Abkürzung über Pre, weg von der nun viel befahrenen Hauptstraße, bescherte uns noch einen kurzen, giftigen Schotteranstieg hinauf nach Molina am See. Wir hielten uns
links um den See zu umrunden und trafen kurz darauf unseren Busfahrer P.K., der auf der Terrasse einer Pizzeria schon auf uns wartete. Wir guckten verwundert, neben ihm stand ein
Rad, auf dem Tisch lag ein Helm. Die Truppe war down, er hatte uns überholt, obwohl er nach dem
Frühstück überhaupt noch kein Bike hatte und er dieses sich erst leihen musste. Da er aber nicht mit
ansehen konnte wie einige Mitglieder der Truppe ihre lahmen Bikes im See ertränken wollten, klärte er
uns auf, dass er das Rad mit dem Bus zum See hinauf transportiert hatte und bisher nur die paar
Kilometer vom Bikeshop zum Hotel und vom Parkplatz bis zur Pizzeria zurückgelegt hatte. Voller Erleichterung machten wir uns nach diversen Pizzen,
Mineralwässern und Apfelschorlen daran, in Begleitung unseres Busfahrers die Umrundung des Sees fortzusetzen. Da es nur flach um den See ging und uns noch ein
paar Höhenmeter fehlten, auf Grund der vorangegangenen sintflutartigen Regenfälle in den vorherigen
Tagen, beschlossen wir nach der Hälfte der Seetour in Riève noch ein paar Meter drauf zu packen.
Unser Busfahrer musste sich leider von uns verabschieden, da sein Pflichtgefühl ihn daran erinnerte,
dass man einen gemieteten Bus in einem fremden Land nicht so lange unbeaufsichtigt stehen lassen sollte
und er über die flache Uferstraße viel schneller das zu beschützende Objekt erreichen würde. Wir
folgten der leicht ansteigenden Route aus dem Ort heraus Richtung Wald und Himmel, in Erwartung
weiterer grandioser Blicke auf den Ledro- und eventuell auch den Gardasee. Am Ortsausgang erwartete uns erneut eine Betonrampe, noch
etwas steiler als die nach dem vorangegangenen Recht-Links-Abzweig. Auch hier ging es in eine Schotterpiste über, die sich ziemlich
wechselhaft präsentierte, mal eher sanft, dann wieder richtig steil, so dass ein italienischer Fußgänger uns mit dem Kommentar „duretta“
aufmunterte. Wieder wurden knapp 400 hm mit den erwarteten Panoramablicken und einer tollen Abfahrt belohnt. Genauso steil wie vorher
bergauf ging es nun bergab. Meist auf Schotter, besonders steile Abschnitte waren mit rillenmusterverziertem Beton stabilisiert. Die
Bremsscheiben liefen blau an, Felgen wurden heiß. Zurück auf der Verbindungsstraße vom Ledro- zum Gardasee hieß zuerst einmal die
Kette nach rechts zu legen und die Räder laufen zu lassen. Vor dem Tunnel nach Riva nahmen wir nun den oberen Teil der alten Ponalestraße in Angriff, den wir nach bei der Rechts-Links-Abzeigung schmählich verschmäht hatten.
Er entpuppte sich als relativ flaches Straßenstück, das sich bergauf ziemlich locker fahren lässt. Nun
folgte das eigentlich Highlight des Tages, obwohl es matschfinderunwürdig bergab ging. Der untere Teil
der Ponalestraße, den wir beim Aufstieg schon befahren, hatten war nach dem Felssturz vor ein paar
Jahren zu einem feinen, schottrigen Bikeweg mit eingebauten Hügeln und Anliegern umgebaut worden.
Richtig genial. Wir surften beschwingt bergab, Jauchzer, Jubelschreie und Ähnliches waren zu hören.
Diese Abfahrt musste an der Promenade in Riva noch gebührend unter der nötigen Normalisierung des
Flüssigkeits- und Kohlehydrathaushaltes gefeiert werden. Unser Busfahrer hatte uns schon wieder überholt und erwartete uns bereits wieder mit seinem Bike.
26.08.05 Riva –Monte Altissimo – Malcesine – Riva (56,7 km, 1315 m auf, 1315 m ab, 5:00 h)
Bei leicht bedecktem Himmel und schwüler Witterung ging es nach dem Frühstück durch Torbole und
dann die viel befahrene Straße hinauf nach Nago. Von dort führte uns die Straße über eine Strecke von
12 km in einem Stück hinauf auf 1275 m. Das Asphaltband stieg ziemlich gleichmäßig an und ließ sich ganz gut hinauffahren. Oben suchten und fanden wir den Einstieg zum Narvenetrail, der am Anfang
unspektakulär zu fahren war. So nach und nach zeigte er sich etwas bissiger. Recht grober Schotter wechselte sich mit Felsen und tief ausgewaschenen Rinnen ab. Ab und zu war also wieder
schieben und tragen angesagt. In Narvene kamen wir wieder auf der Küstenstraße nach Malcesine heraus, wo wir mit unserem
Busfahrer und seinem Leihbike verabredet waren. Wir trafen ihn kurz hinter Narvene an einem kleinen
Kiesstrand, wo sich Jo und sein Kumpel J.M. gleich daran machten die Wasserqualität zu prüfen. Sie
scheint sehr gut gewesen zu sein, denn Jo machte vor lauter Freude den Walfisch. Schließlich ging es locker und eben weiter nach Malcesine um Pasta, Aqua miserabile und Apfelsaftschorle zu fassen. Dermaßen gestärkt ging es wieder zurück zu den weiter oben schon erwähnten Stühlen an der Uferpromenade von Riva. Hier galt es nun
wieder den Flüssigkeitshaushalt zu überprüfen und zu korrigieren. Auf Grund eines Tipps unserer Vermieterinnen machten wir uns auf
, unser Abendmahl in der etwas außerhalb gelegenen Lokalität “La Colombera” ein zu nehmen. Die Damen hatten nicht zu viel
versprochen, das Essen und der Wein waren köstlich, wobei vor allem Letzterer dazu animierte den guten Geschmack ein ums andere Mal zu testen. Immer mit dem gleichen Ergebnis: „Sau gudd!“
27.08.05 Riva – Lago di Tenno – Riva (30 km, 735 m auf, 735 m ab, 2:36 h)
Wieder fuhren wir durch Torbole hinauf nach Nago, wo wir uns diesmal nach links hielten und der Straße hinauf zum unglaublich blauen Tennosee folgten. Locker und sightseeingmäßig ging es
gleichmäßig hinauf, bis ein einzelner Biker sich zu einem Überholvorgang hinreißen ließ. Ein Teil der
Truppe konterte sofort und hing sich in seinen Windschatten. Diese Aktion ließ ihn nun seinerseits sein
Tempo erhöhen. Als er dann eine gut Zeit lang das Feld angeführt hatte und er immer nervöser zu
schalten begann, setzte unser Führer, gefolgt von seiner Mannschaft, selbst zu einem Überholvorgang an
um das Tempo noch einmal zu verschärfen. Das war dann doch zu viel für den Biker, so dass er die
Truppe ziehen lassen musste. Am See angekommen gab es eine Pause mit Badebetrieb durch Jo, J.M.
und unseren Führer. Es folgte noch eine Besichtigungstour durch ein altes, von Künstlern bevölkertes Dorf, unser Führer behauptet es hieße Canale, obwohl dort überhaupt kein Kanal zu entdecken war.
Nun sollte aber noch etwas gebikt werden. Es ging also noch ein Stück bergauf und dann über Schotter und sehr steile Betonrampen
hinunter zurück nach Riva. Der Autor dieser Zeilen gab Jo an den steilen Stücken Geleitschutz, denn
dieser hatte ob seines Gewichtes ein paar Bedenken bezüglich des Bremsweges. Auf einem besonders
steilen Stück sahen wir unten die Truppe warten. Jo machte, wie es schien das Geräusch von aus dem
Reifen entweichender Luft nach, was er besonders gut beherrscht. Wir hielten ebenfalls an, dann die Diagnose: „Du haschdd Platt! – Wer? Isch? Nää! Du haschdd Platt! – Nää, du!“ Beide hatten Recht.
Bei Jo und H.M. waren an den Vorderrädern die Ventile abgerissen. Nach kurzer Reparatur ging es
weiter, wobei vor allem das letzte Betonstück nach Riva hinein durch sein interessantes Muster
unvergessen bleiben wird. Seine Oberfläche war mit eierkartonförmigen Höckern versehen, so dass die
Reifen wie in Schienen geführt wurden. Spannend wurde die Sache durch eine kurvige Streckenführung
und ein paar Lücken und Risse in dem Muster. Wohlbehalten erreichten wir schließlich wieder unsere Stühle an der Uferpromenade. Auch in diesem Jahr sollte es abends ein großes Feuerwerk geben.
Auf Grund der Erfahrungen des vergangenen Jahres wurde der Zeitplan diesmal etwas anders gestaltet, so dass wir diesmal tatsächlich dieses Spektakel von guten Plätzen aus bewundern
konnten. Pünktlich zu Beginn des Feuerwerks hatte es dann zu regnen begonnen. Der Regen hatte uns endlich wieder gefunden, worüber wir hoch erfreut waren, denn wir hatten ihn doch ein
wenig, auch wenn es keiner zugeben wollte, vermisst.
Fazit
Wieder eine gelungene, am Anfang ziemlich nasse Tour. Die Stimmung war trotz allen Wassers von oben immer gut. Vor allem
hatten wir an den Geschichten von J.M. zu knabbern. Seine Rätsel um Mord und Totschlag (Er ist da beruflich etwas
vorbelastet) lenkten uns vom Regen ab und brachten uns auf andere Gedanken.
In der ersten Geschichte ging es um sieben männliche Leichen in einem abgeschlossenen Raum. eine der Leichen hatte dabei eine Pistole in der Hand.
In der zweiten Geschichte ging es um einen Mann, der von der Arbeit wie jeden Tag nach Hause kommt und wie jeden Tag in
seinen Schrank schaut und dabei so sehr erschrickt, dass er sich aus dem Fenster stürzt und Selbstmord begeht.
Täter und Motive waren zu raten, eine gut Ablenkung vom Dauerregen und ein ergiebiges Gesprächsthema beim Abendessen.
- Nächstes Jahr fahren wir trotzdem wieder.
- Es gab mehr Defekte als in den Jahren davor : ein Steuersatz musste dran glauben, zwei Felgen waren fast durchgebremst, zwei
Ventile sind abgerissen, diverse Tachos und Pulsuhren gaben im Dauerregen den Geist auf und mussten zuerst noch einmal trockengelegt werden.
- Es gibt keine wirklich dichte Regenkleidung, von P.K.´s Hose einmal abgesehen.
- Strecke rund: 400 km
- Höhenmeter ca: 8635 m auf , 8380 m ab
- Fahrzeit netto ca: 31:20 h
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